Impuls zum Evangelium dieses Wochenendes:Impuls der Woche
Impuls
Vorzeichen für das Kommen Christi: Das Evangelium von heute klingt aber so gar nicht nach freudiger Adventsstimmung. Da ist von einem ganz „anderen“ Advent die Rede, von einer höchst bedrohlichen Zukunft. Was da auf uns zukommt, ist nicht die „fröhliche“ und „selige Weihnachtszeit“, sondern „es werden Zeichen sichtbar werden an Sonne, Mond und Sternen, und auf der Erde werden die Völker bestürzt und ratlos sein über das Toben und Donnern des Meeres“ (Lk 21,25). Es sind keine angenehmen, sondern schreckliche Aussichten: „Die Menschen werden vor Angst vergehen in der Erwartung der Dinge, die über die Erde kommen“ (Lk 21,26).
Manchmal frage ich mich, ob wir mit dem ganzen Adventsrummel, den Weihnachtsmärkten und Glühweinständen nicht insgeheim versuchen, eine tiefsitzende Sorge zu verdrängen, die Angst zu übertönen vor dem, was möglicherweise auf uns zukommt. Ich glaube, viele von uns spüren, dass uns sehr unsichere Zeiten bevorstehen. Der Klimawandel hat etwas Unheimliches. Wie wird er sich auswirken? Die Migration, die vielen Menschen, die flüchten, neue, bessere Lebensbedingungen suchen: Werden sie unsere gewohnte Welt verändern? Zukunftsängste bewegen viele, und manche versuchen sogar, politisches Kapital daraus zu schlagen, indem sie Ängste schüren.
Gerade wenn schwere Zeiten kommen, schaut Jesus zuversichtlich in die Zukunft: „Wenn all das beginnt, dann richtet euch auf und erhebet eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe“ (Lk 21,28). Seine Hoffnung richtet sich aber nicht auf eine allmähliche Beruhigung und eine stetige Verbesserung der Lage. Er lenkt den Blick auf den Anfang der Welt Gottes, die er selber herbeiführen wird, wenn er kommt „mit großer Macht und Herrlichkeit“ (Lk 21,27).
Die baldige Wiederkunft Christi: „Dieser Jesus, der von euch ging und in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr habt zum Himmel hingehen sehen“ (Apg 1,11). Das war die Botschaft der Engel an die Jünger Jesu, als sie seine Himmelfahrt erlebt haben. Seit damals gab es in der frühen Kirche die intensive Erwartung, dass Jesus kurze Zeit, also einige Monate oder Jahre, nach seinem Tod und seiner Auferstehung wiederkommen wird. „Maranatha“ (1 Kor 16,22), so haben die ersten Christen in der Sprache Jesu, Aramäisch, gebetet. Auch der Apostel Paulus hat mit dem Kommen Christi noch zu seinen Lebzeiten gerechnet. Er war überzeugt: Das Ende der Welt steht zwar noch aus, aber „der Herr ist nahe“ (Phil 4,5) und „die Zeit ist kurz“ (1 Kor 7,29). Die ersten Christen und Christinnen aber haben die Erwartung der baldigen Wiederkunft Jesu ziemlich schnell aufgegeben und sich auf eine unbestimmte Zeit eingestellt, in der die Menschen sich auf das Reich Gottes vorbereiten konnten. Für sie war es ständig „Advent“, Zeit der Erwartung Jesu, aber nicht seiner Geburt in Betlehem, sondern seines Kommens am Ende der Zeit.
Ein Anstoß zum bewussten Leben: Bei der anderen, verdrängten, vergessenen Seite des Advents geht es also nicht um die „fröhliche Weihnachtszeit“, sondern um die große Hoffnung, die Christinnen und Christen für die Menschen und für die Welt haben: Wenn Jesus Christus wiederkommt, wird er Gottes Reich vollenden. Erde und Himmel werden neu werden. Er wird alle Menschen richten und damit alles Böse vernichten und die Menschen und die ganze Welt erlösen. Dann wird die Welt endgültig so sein, wie Gott sie gewollt hat.
Diese Erwartung ist zwar lebendig in jeder Messfeier, wenn es heißt: „… bis er kommt in Herrlichkeit“. Sie ist aber im Leben der Gläubigen weitgehend erloschen und spielt leider kaum noch eine bedeutsame Rolle. Aber ohne sie fehlt uns Entscheidendes.
Wie oft leben wir einfach so in den Tag hinein, ohne daran zu denken, er könnte der letzte sein, ohne uns beizeiten – zur rechten Zeit – mit dem Tod auseinanderzusetzen. Wie oft tun wir so, als könnte der Tod uns nichts anhaben, als hätten wir alle Zeit der Welt vor uns.
Der „andere“ Advent erinnert uns an das Ende der Welt, an unser eigenes Ende. Er macht uns damit deutlich, wie kostbar jede Stunde, jeder Tag, jedes Jahr ist. Er mahnt uns, nicht stumpf und oberflächlich in den Tag hineinzuleben, nicht in betäubende Zerstreuungen zu flüchten, nicht kostbare Lebenszeit vor dem Fernsehen oder im Internet zu vergeuden, nicht das Leben aufzuschieben, bis zum Wochenende, bis zum Urlaub, bis zum Ruhestand… Leben ist immer hier und jetzt! Keine Minute kehrt wieder, keine versäumte Stunde lässt sich zurückholen, kein Leben wird noch einmal gelebt. Der andere Advent lehrt uns, das Leben als Chance zu begreifen: Unsere Lebenszeit wird das sein, was wir daraus machen.
Ein Appell zum solidarischen Handeln: Der „andere“ Advent erinnert uns auch daran, dass am Ende einmal alles offenbar wird: Unsere Taten und Versäumnisse und all die Wirkungen, die von ihnen ausgegangen sind und die weiterwirken, solange die Geschichte der Menschen dauert. Es kann für uns Christen keine größere Motivation geben, gut und solidarisch zu handeln als das Wort des Weltenrichters am Ende der Zeit: „Was ihr für einem meiner geringsten Brüder (und Schwestern) getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40).
Wir wissen nicht, wie und wann es mit dieser Welt zu Ende geht. Das weiß nur Gott allein. Wir wissen nur, dass es für uns selber einmal ein Ende gibt. Das kann schon morgen, ja heute sein. Zum Advent gehört darum immer auch die Einladung Jesu, wachsam zu sein und allezeit zu beten. Das Ende soll uns nicht überraschen, „wie man in eine Falle gerät“ (Lk 21,35). Daher ist es gut, dass ich mir täglich die Frage stelle: Könnte ich jetzt schon vor Gott hintreten? Könnte mein Leben dann vor ihm Bestand haben?
Pfarrer Dr. Peter Seul, St. Agnes (Seelsorger in der Pastoralen Einheit Köln-Mitte)